Selbstberührung - Mehr als nur Befriedigung
- sabrinavollenweide
- 16. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Selbstberührung neu denken
Wenn wir über Selbstberührung sprechen, denken viele sofort an Lust, sexuelle Erregung und Orgasmus. Doch was, wenn es dabei um weit mehr gehen könnte?
Selbstberührung kann auch ein Akt der Selbstfürsorge, der Achtsamkeit und der Körperwahrnehmung sein. Sie kann uns helfen, uns selbst auf einer tieferen Ebene zu begegnen – frei von Leistungsdruck oder festen Erwartungen.
Doch Sprache prägt, wie wir über Dinge denken. Deshalb lohnt es sich, die Begriffe, die wir für Selbstberührung verwenden, genauer zu betrachten.
Die Macht der Worte: Warum „Selbstberührung“ statt „Masturbation“?
Die Worte, die wir für unsere Körperlichkeit nutzen, sind nicht neutral – sie tragen Geschichte, kulturelle Prägung und oft auch Scham in sich.
Onanieren – Ein Missverständnis aus der Bibel
Der Begriff „Onanieren“ geht auf die biblische Figur Onan zurück, der den Sex mit der Witwe seines Bruders unterbrach und seinen Samen verschüttete. Dadurch kam er der gesellschaftlichen Pflicht der Kindeszeugung nicht nach - weshalb Onanieren ein Begriff mit scham- und schuldhaftem Hintergrund ist.
Masturbation – Ein Wort mit schwerem Erbe
Das Wort „Masturbation“ stammt aus dem Lateinischen und setzt sich zusammen aus manus (Hand) und stuprare (beschmutzen, entehren). Übersetzt wird es häufig als "Die Beschmutzung mit der Hand". Diese Wurzel zeigt bereits, wie negativ Selbstbefriedigung lange betrachtet wurde. Über Jahrhunderte galt sie als sündhaft, gesundheitsschädlich und moralisch verwerflich.
Obwohl sich die gesellschaftliche Sichtweise verändert hat, schwingt diese Geschichte für viele Menschen noch immer mit – bewusst oder unbewusst. Das kann dazu führen, dass Selbstberührung mit Scham oder Schuldgefühlen verbunden bleibt.
Selbstberührung – Ein weiter gefasster Begriff
Selbstbefriedigung ist ein anderes sehr gängiges Synonym. Mit dem Wort "Befriedigung" darin deutet es daraufhin, dass der Orgasmus als Ziel der Berührung gesehen wird. Deshalb bevorzuge ich das Wort Selbstberührung, weil es die Vielfalt dieser Erfahrung besser beschreibt. Es reduziert Berührung nicht nur auf das Ziel des Orgasmus, sondern öffnet den Raum für Sinnlichkeit, Neugier, Entspannung und achtsame Selbstwahrnehmung.
Aber: Jede*r darf die Worte verwenden, die sich richtig anfühlen! Es geht nicht darum, Masturbation als Begriff abzulehnen, sondern um das bewusste Hinterfragen der Sprache und ihrer Wirkung auf uns.
Warum ist es wichtig, sich mit der eigenen Selbstberührung auseinanderzusetzen?
Unsere Berührung mit uns selbst spiegelt oft wider, wie wir mit uns umgehen.
Behandeln wir uns mit Liebe, Neugier und Achtsamkeit?
Oder ist Selbstberührung eher funktional – schnell, routiniert, mit einem klaren Ziel?
Die Art und Weise, wie wir uns selbst berühren, kann ein Spiegel für unsere Selbstwahrnehmung sein. Es gibt kein richtig oder falsch – nur die Einladung, neugierig hinzuschauen und sich selbst vielleicht neu zu entdecken.
Hier sind einige Fragen, die dich zum Nachdenken anregen können:
Wann hast du dich zuletzt bewusst selbst berührt – nicht nur aus Lust, sondern einfach, um dich zu spüren?
Welche Körperstellen berührst du gern? Gibt es Bereiche, die du meidest?
Welche Gedanken begleiten dich dabei? Sind sie liebevoll oder kritisch?
Wie fühlt sich dein Körper an, wenn du ihn sanft berührst, streichelst oder einfach nur hältst?
Welche Rolle spielt Selbstberührung in deinem Alltag – ist sie eine bewusste Praxis oder eher eine Nebensache?
Hat sich deine Art der Selbstberührung im Laufe der Zeit verändert? Wenn ja, warum?
Welche Emotionen tauchen auf, wenn du dich ohne Erwartung berührst?
Gibt es Berührungen, die du vielleicht erst entdecken oder zulassen musst?
Diese Reflexion kann dir helfen, eine tiefere Verbindung zu deinem eigenen Körper aufzubauen und Berührung bewusster zu erleben.
Die Umgebung – Dein Raum für Selbstberührung
Die Umgebung, in der du dich selbst berührst, kann einen grossen Einfluss darauf haben, wie du dich dabei fühlst.
Fühlst du dich an deinem gewählten Ort sicher und entspannt? Oder gibt es Unruhe, Ablenkungen oder eine gewisse Anspannung?
Gibt es eine bestimmte Tageszeit, zu der du dich am wohlsten mit Selbstberührung fühlst?
Welche äusseren Faktoren unterstützen dein Erleben? Vielleicht sanftes Licht, angenehme Musik, ein wohltuender Duft oder eine kuschelige Decke?
Möchtest du deine Umgebung bewusst gestalten oder geniesst du eher spontane Momente der Selbstberührung?
Vielleicht experimentierst du einmal damit, unterschiedliche Räume und Situationen auszuprobieren. Ein bewusst gestalteter Raum kann die Erfahrung intensiver, sicherer und genussvoller machen.
Deine Gedanken – Innere Einstellungen zu Selbstberührung
Nicht nur die äussere Umgebung, sondern auch unsere inneren Überzeugungen beeinflussen, wie wir Selbstberührung erleben.
Welche Glaubenssätze hast du über Selbstberührung? Sind sie positiv oder mit Scham und Unsicherheit behaftet?
Hast du dir erlaubt, Selbstberührung als eine Form von Selbstliebe zu betrachten?
Fühlst du dich entspannt oder beobachtest du innere Widerstände und Hemmungen?
Glaubst du, dass Selbstberührung immer mit einem bestimmten Ziel – etwa Lust oder Orgasmus – verbunden sein muss?
Wie kannst du deine Gedanken bewusst in eine liebevolle und wertschätzende Richtung lenken?
Es kann hilfreich sein, sich bewusst zu machen, dass alte Prägungen nicht in Stein gemeisselt sind. Du darfst dein Verhältnis zur Selbstberührung neu definieren – so, wie es sich für dich stimmig anfühlt.
Tipps für eine bewusste Selbstberührung
Wenn du deine Selbstberührung bewusster gestalten möchtest, probiere doch einmal folgende Impulse aus:
Schaffe eine angenehme Atmosphäre: Licht, Musik, Düfte oder eine warme Decke können dein Erleben vertiefen.
Nimm dir Zeit, ohne Ziel: Geniesse Berührung, ohne auf ein bestimmtes Ergebnis hinzuarbeiten.
Erkunde deinen Körper auf neue Weise: Welche Berührungen fühlen sich besonders gut an? Gibt es neue Stellen zu entdecken?
Nutze verschiedene Materialien: Öle, Stoffe oder Federn können neue sensorische Erfahrungen schaffen.
Spüre nach: Wie fühlst du dich danach? Was hat dich überrascht oder berührt?
Kein Muss, kein Perfektionismus – nur Fühlen
Bei all dem geht es nicht darum, Selbstberührung zu einer neuen „Aufgabe“ zu machen. Es gibt keine perfekte Methode, keine Checkliste, kein Ziel, das erreicht werden muss.
Es geht nur um dich. Darum, dass du dich selbst spüren darfst – so, wie es sich für dich richtig anfühlt.
Ohne Druck. Ohne Bewertung. Ohne richtig oder falsch.
Und falls du einfach mal Lust auf schnelle Entspannung hast? Auch das ist völlig in Ordnung! Selbstberührung kann vieles sein: achtsam, verspielt, lustvoll, spontan. Es gibt keinen falschen Weg – nur deinen eigenen.
Fazit: Eine Einladung zur Selbstentdeckung
Selbstberührung ist ein intimer, persönlicher Akt, der mehr sein kann als reine Befriedigung. Sie kann eine Möglichkeit sein, dich selbst besser kennenzulernen, liebevoller mit dir umzugehen und bewusst wahrzunehmen, was dir guttut.
Vielleicht nimmst du dir heute einen Moment Zeit, um dich selbst zu berühren – ohne Erwartungen, ohne Eile. Einfach nur, um zu spüren, dass du da bist.
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