Wenn nichts mehr leicht ist - Depression und Partnerschaft
- sabrinavollenweide
- 24. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Depression, Sexualität und Beziehung – wenn Nähe plötzlich schwer wird
Es beginnt oft ganz leise. Ein Zurückweichen. Eine Berührung, die nicht erwidert wird. Ein Gespräch, das im Nichts endet. Und irgendwann das Gefühl: Wir verlieren uns gerade – obwohl wir uns doch lieben.
Depression ist eine Erkrankung, die vieles verändert. Sie betrifft nicht nur die betroffene Person – sie wirkt in den Alltag hinein, in das Körpergefühl, in die Lust. Und oft auch tief hinein in die Partnerschaft.
Und dann steht sie plötzlich im Raum – die Unsicherheit. Die Verletzung. Die Stille.
Was ist eine Depression – und wie fühlt sie sich an?
Depression ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Sie zeigt sich nicht nur durch Niedergeschlagenheit oder Traurigkeit – sie betrifft das gesamte Erleben.
Typische Symptome sind:
▪️ gedrückte Stimmung
▪️ Interessenverlust, Freudlosigkeit
▪️ Antriebslosigkeit, Erschöpfung
▪️ Schlafstörungen
▪️ Schuldgefühle, Grübeln
▪️ Konzentrationsprobleme
▪️ sozialer Rückzug
▪️ manchmal auch Suizidgedanken
Was einst leicht war, wird schwer. Was früher Freude gemacht hat, fühlt sich leer an. Und selbst für Nähe – körperlich und emotional – fehlt oft die Kraft.
🧠 Warum verändert Depression die Sexualität? – Ein kurzer fachlicher Exkurs
Die Auswirkungen auf Nähe und Sexualität sind kein „Nebeneffekt“ – sie sind direkte Folgen der Erkrankung:
Neurobiologie:
Der Hirnstoffwechsel verändert sich. Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, die wichtig sind für Lust, Motivation und Bindung, sind in ihrer Aktivität reduziert. Das kann dazu führen, dass sexuelles Verlangen (Libido), Erregbarkeit und emotionale Nähe stark beeinträchtigt sind.
Körperliche Symptome:
Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, innere Unruhe – all das kann die Fähigkeit zur sexuellen Erregung verringern oder sie sogar ganz blockieren.
Psychische Faktoren:
Menschen mit Depression erleben oft ein vermindertes Selbstwertgefühl, starke Selbstzweifel, Schuldgefühle oder ein Gefühl innerer Leere. Sie empfinden sich selbst nicht mehr als begehrenswert – und ziehen sich zurück.
Beziehungsdynamik:
In der Partnerschaft verändert sich oft etwas Grundlegendes: Der Fokus verschiebt sich – von Wir gemeinsam hin zu Du hilfst mir, ich funktioniere irgendwie. Nähe, Intimität und Leichtigkeit gehen verloren.
📊 Wie häufig ist das – und wer ist betroffen?
In der Schweiz erleben laut dem Bundesamt für Statistik rund 20 % der Bevölkerung im Lauf ihres Lebens eine depressive Episode – das ist jede fünfte Person (Quelle: BFS, 2022).
Studien zeigen, dass bei bis zu 70 % der Menschen mit Depression die Sexualität in irgendeiner Form beeinträchtigt ist – sei es durch Lustlosigkeit, mangelnde Erregbarkeit oder Rückzug in der Partnerschaft (Quelle: Zippel, 2021).
Diese Veränderungen sind weit verbreitet –aber kaum jemand spricht offen darüber.
❤️ Was das mit einer Beziehung macht
Für viele Paare ist Sexualität ein Weg, sich verbunden zu fühlen. Ein Ausdruck von Nähe, Vertrauen, Liebe. Wenn sie plötzlich fehlt oder sich verändert, entsteht oft eine stille Distanz.
Die betroffene Person fühlt sich vielleicht schuldig oder überfordert. Die Partnerperson empfindet womöglich Ablehnung – auch wenn es gar nicht darum geht. Oft sind beide unsicher. Traurig. Ratlos.
Viele versuchen, "nichts falsch zu machen". Aber dadurch schweigen sie –und genau dieses Schweigen tut oft am meisten weh.
💬 Was helfen kann – für die Beziehung
🕊️ Akzeptieren, dass es sich verändert hat
Nicht als Scheitern – sondern als Zeichen dafür, dass ihr gerade durch etwas Schweres geht. Gemeinsam.
💬 Sprechen, auch wenn es schwerfällt
Worte müssen nicht perfekt sein. Es reicht, da zu sein. Zuhören. Offen sein.
🤲 Nähe neu entdecken
Einander halten. Berührung ohne Ziel. Zeit zu zweit – auch wenn sie still ist. Sexualität beginnt oft viel früher, als wir denken.
🛑 Grenzen achten
Was gerade nicht möglich ist, darf so sein. Aber schaut gemeinsam: Was wäre möglich? Ein kleiner Schritt? Ein neuer Anfang?
🧭 Unterstützung holen
Paar- oder Sexualberatung kann helfen, Dinge zu verstehen, neu einzuordnen, wieder ins Gespräch zu kommen – bevor Verletzungen zu gross werden.
💊 Und was ist mit Antidepressiva?
Viele Antidepressiva – besonders SSRI – wirken stimmungsstabilisierend, können aber auch die Sexualität beeinträchtigen.
Häufige Nebenwirkungen sind:
▪️ verminderte Libido
▪️ erschwerte Erregung (z. B. keine körperliche Reaktion)
▪️ verzögerter oder ausbleibender Orgasmus
▪️ emotionale Flachheit
Diese Effekte sind nicht selten – und sie dürfen benannt werden. Wenn du Veränderungen bemerkst, sprich mit deiner Ärzt*in oder deiner Therapeut*in.
Wichtig: Setze Medikamente nie eigenmächtig ab – es gibt oft Wege, mit diesen Nebenwirkungen umzugehen: z. B. durch Anpassungen der Medikation, ergänzende Beratung oder begleitende Sexualtherapie.
🔄 Psychotherapie oder Beratung?
Beides kann sinnvoll sein.
Manchmal nebeneinander. Manchmal nacheinander.
Psychotherapie ist wichtig bei akuten psychischen Erkrankungen, tiefer Depression, Suizidgedanken oder wenn eine klare Diagnose im Raum steht.
Psychosoziale Beratung – wie ich sie anbiete – kann ergänzend entlasten, begleiten und neue Perspektiven eröffnen.
Zum Beispiel, wenn du...
– verstehen willst, was mit eurer Sexualität passiert
– als Paar Orientierung suchst
– lernen möchtest, mit Nähe, Rückzug und Veränderung umzugehen
– in der Beziehung wieder zueinanderfinden willst
Du musst nicht wissen, was „richtig“ ist. Wir können gemeinsam hinschauen. Und wenn du unsicher bist – sprich mit deiner Therapeut*in, deiner Ärzt*in oder einer vertrauten Person.
🤍 Wenn du an der Seite einer betroffenen Person bist
Vielleicht fühlst du dich hilflos. Vielleicht vermisst du Nähe – körperlich und emotional. Vielleicht willst du verstehen – und weisst nicht wie.
Auch deine Gefühle haben Platz. Verständnis, Rücksicht und Geduld sind wertvoll –aber du darfst auch auf dich achten. Was du brauchst, zählt genauso.
Manchmal ist das Beste, was du geben kannst, deine ehrliche Anwesenheit. Nicht alles musst du verstehen – aber du darfst mitfühlen. Und auch Hilfe annehmen, wenn es zu viel wird.
✨ Du bist nicht allein. Und ihr seid nicht allein.
Depression verändert Sexualität – aber sie muss nicht das Ende von Intimität sein. Vielleicht ist sie der Beginn eines neuen Verständnisses. Einer neuen Verbindung. Einer neuen Nähe.
Und manchmal beginnt alles mit einem Gespräch.
Ich bin da. Für dich. Für euch. Zum Hinschauen, Sortieren, Wieder-Finden.
🤍 Du möchtest über Sexualität, Beziehung und Nähe sprechen?
Ich begleite dich in psychosozialer Beratung. Einzeln. Als Paar. Empathisch, respektvoll, offen.
💡 Wichtig: Bei akuten psychischen Erkrankungen ist eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung indiziert und empfohlen. Beratung kann ergänzen – nicht ersetzen.
📩 Schreib mir gern – wenn du Fragen hast oder spürst: Es wäre gut, jemanden an der Seite zu haben.
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